„Und schön laut!“ Der Hinweis von Team-Manager Tobias Meyer galt dem Mann an den Reglern. Die Mannschaften standen bereit zum Einmarsch auf den Centre-Court. Und dann ging´s los: „Nino Soldado“ von den Ska-P schallte über die Anlage an der Nordlandstrasse – und wahrhaftig laut. Während Tobi Meyer und Dr. Frank Intert genüsslich in sich rein schmunzelten, schreckten die Gäste aus Bocholt zunächst auf. Aber dann marschierten auch sie schmunzelnd auf den Platz. Das ist eben typisch Wahlstedt. Für alle, die in dieser Musik-Szene nicht so zu Hause sind: Ska-P ist eine spanische Band, die eine besondere Art des Punk zelebriert. Den Ska-Punk halt.
Doch dann wurde es Ernst. Spätestens mit der Vorstellung der Gäste und dem Blick auf die Weltranglistenpositionen ließ die knapp 300 Zuschauer nichts Gutes ahnen. Da spielte WTA 187 gegen WTA 32 (Mona Barthel gegen Klara Zakopalova , CZE), WTA 344 gegen WTA 92 (Anne Schäfer gegen Arantxa Parra Santonja, ESP), WTA 451 gegen WTA 120 (Andreea Mitu gegen Renata Voracova, CZE), WTA 525 gegen WTA 150 (Sandra Martinovic gegen Ekaterina Ivanova, RUS), ohne Ranking gegen WTA 202 (Lydia Steinbach gegen Anna-Lena Grönefeldt, DEU); ohne Ranking gegen WTA 365 (Amelie Intert gegen Justine Ozga, DEU).
Doch ungeachtet dessen legte auf dem Centre-Court Anne Schäfer los wie die Feuerwehr. Ehe ihre Gegnerin sich´s versah, hatte Anne den 1. Satz mit 6:1 gewonnen. Auch im 2. Satz führte sie schon 5:4. Doch dann war die Spanierin, die im Juli letzten Jahres bereits auf Position 46 in der Welt rangierte, endgültig wach geworden und schaffte den Satzausgleich. Anne kämpfte sich in ihrer unnachahmlichen Art zurück ins Match und hatte im Champions-Tiebreak beim Stand von 9:7 zwei Matchbälle. „Das schafft sie, das wird unser erster Sieg“, frohlockte Lydia Steinbach schon. Tatsächlich hatte Schäfer im Wahlstedter Trikot bislang jeden Champions-Tiebreak für sich entschieden. Doch dieses Mal riss die Serie und Parra Santonja verließ als strahlende Siegerin den Platz. Anne haderte mit der vergebenen Sieg-Chance, war aber nicht verzweifelt: „Ich habe eigentlich keinen Fehler gemacht. Sie war im entscheidenden Moment einfach besser.“ Auch Sandra Martinovic hatte im ersten Satz durchaus ihre Chancen. Verlor beim Stand von 4:4 nach 40:14 den eigenen Aufschlag und nutzte anschließend ihre Break-Möglichkeiten nicht. „Das hat mich im zweiten Satz zu sehr beschäftigt“, resümierte sie später. Doch nicht nur ihre Mannschaftskolleginnen bescheinigten ihr eindeutig ansteigende Form. Auf Platz drei konnte der Youngster seine Nervosität kaum verbergen: Die 14-jährige Amelie Intert hatte den Vorzug vor der kaum älteren Carolin Schmidt (16) erhalten, da Intert aufgrund anstehender ITF-Turniere keine Möglichkeit mehr hätte, ein Bundesligaspiel zu bestreiten. Außerdem sollte sie nach überstandener Verletzung Spielpraxis vor den diese Woche anstehenden Deutschen Meisterschaften sammeln. „Dafür bekommt Caro später ihren Einsatz“, erklärte Intert. Zwar ließ ihr die erfahrene Justine Ozga keine Chance, doch auch dieses Match wird Amelie in ihrer Entwicklung ein Stück weiterbringen. In der zweiten Runde, die von einer 1 ¼-stündigen Regenpause unterbrochen wurde, drehte sich das Medien-Interesse nur um Mona Barthel, die bei den French Open mit tollen Leistungen überrascht und sich über die Qualifikation bis in die zweite Hauptrunde vorgearbeitet hatte. Das NDR- Fernsehteam folgte ihr sogar auf den Platz, um sie in einer Matchpause in Großaufnahme zu filmen. Doch die 22-jährige steckte dies in ihrer gewohnt konzentrierten Art weg und überraschte nicht nur ihre Gegnerin Zakovalova, als sie im ersten Satz beim Stand von 5:4 einen Satzball hatte. Doch die 29-jährige erfahrene Grand-Slam-Spielerin konterte und siegte im Tie-Break 7:4. Ein ähnliches Bild im zweiten Satz: Nach 5:4-Führung setzte sich die Tschechin noch mit 7:5 durch.
Andreea Mitu konnte die fehlende Match-Praxis nicht verbergen. Im November warf sie erst eine Blinddarm-OP zurück und anschließend eine langwierige Bauchmuskel-Zerrung. „Ich habe erst letzte Woche nach sechs Monaten mein erstes Turnier gespielt“, entschuldigte sich die bescheidene Rumänin nach der klaren Niederlage.
Respekt hatte auch Lydia Steinbach vor ihrer Gegnerin. Das war keine geringere als Anna-Lena Grönefeldt, früher bereits einmal Nummer 14 der Welt. Zwar gelangen der wie immer vorbildlich kämpfenden Steinbach nur fünf Spiele, aber das Spiel begeisterte nicht nur Bocholts Coach Hartmut Bielefeld, selbst 15-facher Senioren-Europameister im Tennis: „Da habe ich teilweise die „alte“ Anna-Lena wieder gesehen! Und auf der anderen Seite war es unglaublich, welche Bälle Lydia sich noch erkämpft hat!“ Die selbst war ebenfalls zufrieden: „In allen bisherigen Begegnungen habe ich immer die Hucke voll bekommen. So viele Spiele habe ich noch nie gegen sie gewonnen.“ Auch Tobias Meyer war fasziniert: „Anna hat einen Armzug, das ist einfach unglaublich!“
Trotz der guten Ansätze – nach den Einzeln stand es 0:6. Das Punktspiel gegen den letztjährigen Vize-Meister war bereits verloren. Auch das erste Doppel mit Anne und Sandra ging schnell an die Gäste. Doch fast im Gleichschritt trumpften Mona und Lydia groß auf. Weide harmonisierten prächtig und ließen Ekaterina und Justin keine Chance. In allen drei bisherigen Punktspielen dieser Saison spielten beide zusammen und verließen als Siegerinnen den Platz. Steinbach fasste zusammen: „In Karlsruhe war Mona noch zurückhaltend, in Stuttgart spielte sie unfassbar und heute waren wir beide auf dem Platz präsent.“ Im dritten Doppel fand der Kampf der Generationen statt: Amelie Intert und Andreea Mitu (19) trafen auf Vanessa Henke (30) und Amanda Hopmans (35). Die Zuschauer, die sich nun alle am Platz drei versammelt hatten, staunten nicht schlecht, als die Jüngste im Wahlster Doppel die Initiative ergriff. Hatte sie in ihrem Einzel noch mit der Nervosität zu kämpfen, spielte Intert im Doppel unbekümmert auf und zeigte Tennis vom Feinsten. Ihre rumänische Partnerin hingegen war selbst am unglücklichsten, den blonden Wirbelwind an ihrer Seite nicht mehr unterstützen zu können. Doch das 4:6, 4:6 war aller Ehren wert.
So fiel das Fazit auch durchweg positiv aus. Dr. Frank Intert: „Das Ergebnis ist deutlich. Aber es war eng beieinander. Die Weltklasse machte dann aber die Punkte. Schön, dass die Zuschauer auch trotz der Regenpause dabei geblieben sind.“
Chef-Coach Torben Beltz: „War haben uns als Außenseiter gut verkauft. Zwar haben wir auf ein paar Punkte mehr gehofft, Mona und Anne waren ja auch dicht dran, aber ich glaube die Zuschauer haben ein tolles Bundesligaspiel gesehen.“
Und wie es in Wahlstedt so gute Sitte ist, saßen Spielerinnen, Fans und Verantwortliche noch einige Zeit zusammen, schwärmten von Ballwechseln, Tonis fantastischer Paella, träumten vom nächsten Heimspiel gegen den Deutschen Meister und vom Klassenerhalt…..
Auch wenn es langsam abgedroschen klingt: Der „Wohlfühl-Faktor“ im Wahlstedter Team ist spürbar. Auch – oder gerade – nach einer deutlichen Niederlage.
TC Rot-Weiss Wahlstedt – TC WattExtra Bocholt 1:8
Mona Barthel – Klara Zakopalova 6:7, 5:7; Anne Schäfer – Arantxa Parra Santonja 6:1, 5:7, 9:11; Andreea Mitu – Renata Voracova 1:6, 2:6; Sandra Martinovic – Ekaterina Ivanova 4:6, 1:6; Lydia Steinbach – Anna-Lena Grönefeld 3:6, 2:6; Amelie Intert – Justine Ozga 0:6, 1:6; Schäfer/ Martinovic – Parra Santonja/ Grönefeld 2:6, 0:6; Barthel/ Steinbach – Ivanova/ Ozga 6:2, 6:0; Mitu/ Intert – Vanessa Henke/ Amanda Hopmans 4:6, 4:6