Carla Intert im „Hamburger Abendblatt“


Allgemein / 10. Apr 2021  


 „Deutschland sucht den Super-Boris“, lautete einst die Frage. Oder auch: „Wer wird die neue deutsche Tennis-Queen nach Steffi Graf?

Die Erfolge von Tennisstars vergangener Tage sind noch immer gegenwärtig. Spitzenspieler wie Alexander Zverev oder lange Zeit auch Angelique Kerber haben viel für das Image des Tennissports getan. Doch wie sieht mittelfristig die Zukunft aus? Gibt es schon bald wieder Grand-Slam-Sieger wie Boris Becker und Steffi Graf, die auch der Jugend ein Vorbild gewesen sind?

Auf der Suche nach innovativen Ideen bei der Talentsichtung investierte der Deutsche Tennis Bund (DTB) über Jahre hinweg viele Initiativen, zuweilen mit vielversprechenden Ergebnissen. Man fragt sich heute: Wie entdeckt man überhaupt Talente? Wie baut man sie auf und bereitet sie auf eine erfolgreiche Profilaufbahn vor?

Carla Intert ist ein vielversprechendes Talent, bundesweit eine der Besten ihres Jahrgangs. Die 13 Jahre alte Tochter von Schleswig-Holsteins Verbandspräsident Frank Intert und Ehefrau Andrea (Bad Segeberg) wird im fünften Jahr von Mirko Schütte trainiert, einem der erfahrensten Coaches in Schleswig-Holstein. Der 52-jährige Tennislehrer ist seit 1999 im Besitz der A-Lizenz und arbeitete schon häufig mit Spielern zusammen, die unter seinen Fittichen den Weg auf der Profitour einschlugen.

Unter anderem trainierte der Hartenholmer bis 2007 die Oldesloer Weltranglistenspielerin Julia Görges (sie hat ihre Karriere beendet) und Katharina Holert (Geesthacht). Bei den Männern waren es Julian Reister (Reinbek) sowie Tobias Kamke aus Lübeck, die beim TC Logopak Hartenholm in der 2. Bundesliga aufschlugen.

Gerade im Nachwuchsbereich eilt dem Coach ein guter Ruf voraus. Mit 18 Jahren gab er das erste Mal Training beim TC an der Schirnau. Schütte hat für sich eine eigene Philosophie entwickelt, jugendliche Tennis-Asse aufzubauen. Carla Intert, die jüngste von sieben Kindern der Familie Intert, hat im Leistungszentrum in Wahlstedt zweimal pro Woche Landestraining, dazu drei bis viermal mit Schütte. Dieser ist nebenbei Vorsitzender des TC an der Schirnau. Zur Erleichterung des Tagesablaufes und Verkürzung der Fahrtwege von Carla versucht er das Training so oft wie möglich in Wahlstedt durchzuführen.

Der Trainingsnachmittag in der Halle des TC Rot-Weiss Wahlstedt hat begonnen. „Komm, Carla, hopp, auf geht‘s“, ruft Schütte dem Tennis-Youngster auf der anderen Seite des Netzes zu. Gemächlich beginnt das Training in der Nähe des Netzes. Carla spielt den Ball immer wieder locker ins Aufschlagfeld. Die 1,56 Meter große Schülerin soll erst einmal Ballgefühl bekommen und den Rhythmus finden. Aber plötzlich, beinahe unangekündigt, forciert sie auf Zuruf ihres Trainers das Tempo und peitscht die Bälle von der Grundlinie mit einer für eine 13-Jährige ungeheuren Geschwindigkeit über den Platz. Sagenhaft – auf den anderen Plätzen herrscht Erstaunen.

„Carlas Motorik, Schnelligkeit und Bewegungsfreudigkeit ist für ihr Alter erstaunlich“, sagt Mirko Schütte. Der Diplom-Sportwissenschaftler hat in Hamburg studiert. Der Trainer betont, dass jeder Jugendliche Tennis erlernen und sich stetig verbessern kann. Gewisse Grundvoraussetzungen müssten freilich vorhanden sein. Und wie er nur bestätigen kann, sollte man spätestens mit sechs Jahren mit dem Tennis anfangen.

So begann auch Carla Intert mit sechs Jahren mit Tennis. Als sie acht wurde, trainierte sie dann zum ersten Mal bei Mirko Schütte. „Zuerst muss man sicher sein, dass jemand den nötigen Spaß mitbringt“, sagt Mirko Schütte. Ohne den geht es nicht. Bei Carla traf das von Beginn an zu.“

Die meisten Nachwuchsspieler üben meist auf engeren Midcourts-Feldern, bevor es eines Tages auf den „richtigen“ Court geht. Coach Schütte ist sicher: „Die Jungen und Mädchen müssen sich erst mal mit dem Tennisball anfreunden.“ In den ersten Monaten begann das Training jedes Mal mit Ballgewöhnungsübungen, die ständig variiert wurden. Zum Beispiel sollte Carla über den Platz laufen und dabei den Ball prellend mit dem Schläger in der Luft halten. Durch verschiedene Übungen lässt sich das Ballgefühl mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden schulen.

Aufschlag und Return spielen für den Coach eine elementare Rolle. Aber er vermittelte Carla Intert wie allen Schülern zuvor auch ein persönliches Konzept. Er sagt: „Jedes Tennistalent muss individuell geschult werden, damit die größtmöglichen Erfolgsaussichten gegeben sind.“

Für Schütte ist zudem wichtig: Wie kann sein Schützling im Match ohne seine Unterstützung Schwächen der Gegnerin erkennen und ausnutzen? Wie kann Carla in kritischen Situationen ruhig, mental stark und in aussichtsloser Lage optimistisch bleiben?

Carla Intert sagt dazu selber: „Das klappt sehr gut. Es klappt immer öfter.“ Beispiel gefällig? Kürzlich lag sie in einem Match-Tiebreak mit 1:9 zurück und drehte die Partie noch mit 12:10.“

Etwaige Niederlagen sollen schnell verkraftet werden, um zu lernen. Gerade im Tennis gehören Enttäuschungen dazu. Alles ist auch eine Frage der Fitness. Alle Schüler Schüttes haben ein intensives Konditionsprogramm zu absolvieren. Er weiß, wovon er spricht, denn der Tennistrainer hält sich allein durch die Trainingstage mit Jugendlichen für die Regionalliga-Punktspiele des Pinneberger TC 365 Tage im Jahr in Form. Carla meint: „Meistens ist das Fitnesstraining ganz schön anstrengend für mich.“ Aber es lohnt sich ja: „Ich merke ständig, dass ich schneller und kräftiger werde.“ In ganz Deutschland gibt es in ihrer Altersklasse etwa 30 Mädchen, die ähnlich hart trainieren wie die Schülerin der siebten Klasse am Städtischen Gymnasium in Bad Segeberg.

Auch ihr Bruder kann ein Lied davon singen. Clemens Intert trainiert seit fast neun Jahren bei Mirko Schütte und muss als älterer und männlicher Tennisspieler (18) noch weitaus härtere Einheiten absolvieren. Zur Entspannung turnen Clemens und Carla auf dem Trampolin im heimischen Garten. Ihre Geschwister Amelie (24 Jahre, sie hatte 2018 und 2019 zwei Hüftoperationen), Sophia (22), Luise (26), Elisa (29) und Laurens (28) stellen sich gerne des Öfteren als Trainingspartner beim Tennis zur Verfügung.

Landesliga-Spitzenspieler Clemens Intert hatte 2019 aufgrund seines schnellen Wachstums enorme koordinative Probleme. Er schnellte innerhalb eines Jahres um fast 30 Zentimeter auf 1,82 Meter in die Höhe. „Die hohe Wachstumsgeschwindigkeit des Körpers stellt enorme Anforderungen an junge Tennisspieler und die Geduld und Nervenstärke der Eltern“, erklärt Schütte. Der erfahrene Coach ergänzt: „Fehlende Ergebnisse und mangelnde Performance auf dem Platz sind in diesem Lebensabschnitt die Regel. Nach spätestens einem Jahr ist wieder alles normal.“

Mutter Andrea Intert betrachtet die Situation gelassen. Sie hat Ähnliches schon mit den älteren Geschwistern der beiden erlebt. Sie findet es optimal, dass Mirko Schütte die Tennis-Ambitionen seiner Schützlinge von Anfang an in die richtigen Bahnen lenkt. Eltern sollten ihren persönlichen Ehrgeiz nicht mithilfe der Kinder ausleben und wenn möglich in jeder Lage ruhig bleiben. Als wichtigstes Fundament für eine erfolgreiche Tennislaufbahn sehen Andrea Intert und Mirko Schütte eine harmonische und ehrliche Beziehung zwischen Spielern, Eltern und Trainern.

Und wie steht es um das Verhältnis und die Rivalität zu den Geschwistern? „Ich freue mich schon manchmal, wenn ich erfolgreicher bin als sie“, sagt Carla.

Text und Foto: Karsten Jaeger, Hamburger Abendblatt