Seit 2007 marschierte Tennis Wahlstedt von der Landesliga direkt in die 1. Bundesliga. Doch die Erfolgsstory ist nun beendet. Wahlstedt zieht seine 1. Damenmannschaft aus der Bundesliga zurück und wird fortan in der Regionalliga aufschlagen, in der sich diese Saison schon die 2. Mannschaft tummelte.
Was bleibt sind unvergessene Momente vom großen Tennis-Sport. So zum Beispiel, als 2008 ein Bus mit 50 Wahlstedter Schlachtenbummlern nach Berlin fuhr, um das Aufstiegsspiel zur 2. Bundesliga gegen den TTC Grün-Weiß Berlin mit zu verfolgen. 9:0 setzten sich damals Lydia Steinbach, Julia Görges, Neda Kozic (Serbien), Julia Paetow, Kristina Andlovic (Schweden), Mona Barthel sowie Christin Potsch und die damals 14-jährige Katharina Holert, die beide in den Doppeln zum Einsatz kamen, durch. Oder 2010, als das Saisonziel in der erstmals eingleisigen 2. Bundesliga eigentlich der Klassenerhalt war, Wahlstedt sich jedoch überraschend für die Eliteliga qualifizierte. Zu dem Zeitpunkt bereits habe er sich das erste Mal gefragt: „Für wen ist das eigentlich gut?“, verrät Dr. Frank Intert. Ziel von Tennis Wahlstedt war es immer, jungen Tennis-Talenten optimale Ausbildungsmöglichkeiten zu bieten. „Unser Bundesliga-Kader besteht weitgehend aus ausgebildeten Spielerinnen, die mit Tennis ihren Lebensunterhalt verdienen und das Antrittsgeld benötigen, um ihre Kosten als Jungprofis zu decken. Unsere Zielgruppe ist jedoch eine andere und die wollen wir mit den verfügbaren Mitteln optimal betreuen.“ Tennis Wahlstedt wird sich nun noch stärker als bisher schon um die Ausbildung junger Tennis-Talente kümmern. Dr. Intert ergänzt: „Mit idealen technischen Voraussetzungen werden alle Bereichte der leistungssportlichen Ausbildung abgedeckt und bieten der stark gewachsenen Mannschaft aus Tennislehrern und Konditionstrainern beste Arbeitsbedingungen.“ Diese Intention wurde bereits im Verzicht auf die Ausrichtung des Future-Turnieres für junge Tennisprofis deutlich, das ersetzt wurde durch ein Tennis-Europe-Turnier für den 12-jährigen Tennis-Nachwuchs.
Die Tennisschule Wahlstedt hat sich gut entwickelt und es steigt das Interesse junger Spielerinnen und Spieler sich in Wahlstedt ausbilden zu lassen. Gab es noch 2004, als Dr. Intert die Tennisanlage übernahm, überhaupt keine Jugendliche, sind es jetzt bereits knapp 100. Dr. Intert ergänzt: „Wir haben gelernt, dass insbesondere die Prioritäten der Spielerinnen darauf ausgerichtet sind, möglichst früh international zu spielen und ihre Individualkarriere zu starten. Dabei werden wir sie unterstützen. Eine aufwändige Turnierplanung samt Reisekoordination verträgt sich kaum mit einem Mannschaftsspielbetrieb.“ Hinzu kommen rein wirtschaftliche Gründe. „So sehr die Bundesliga-Tennistage in Wahlstedt alle begeistert haben, so wenig sind Sponsoren in unserer Region motiviert, sich in der Unterstützung und Identifikation mit einem Erstligateam zu engagieren“, erklärt Dr. Intert, der selbst ungefähr 90 % des Etats beigesteuert hat.
Dafür hat auch Lydia Steinbach Verständnis. Die Bundesligaspielerin, die inzwischen auch in den Trainerstab integriert wurde und in der kommenden Saison das Regionalligateam verstärken wird, ist ein Wahlstedter „Urgestein“: „Natürlich ist es für uns Spielerinnen schade, dass wir uns aus der Bundesliga zurückziehen. Aber aus wirtschaftlicher Sicht völlig verständlich.“ Mona Barthel (WTA 100), die „heimliche“ Nummer eins der vergangenen Saison, da die Rumänin Simona Halep nur zu einem Punktspiel gekommen war, erreichte die Neuigkeit in den USA, wo sie sich auf die US Open vorbereitet. Gerade hatte sie eine Trainingseinheit zusammen mit der Französin Kristina Mladenovic (WTA 193) hinter sich. „Es kam für mich überraschend und ich fand es schade, da ich mich schon auf die nächste Saison in der Bundesliga gefreut hatte.“ Ob die Neumünsteranerin sich vorstellen kann, ihre Basis trotzdem in Wahlstedt zu belassen, ob sie sich einem anderen Verein zuwendet oder ob sie gänzlich auf den Punktsielbetrieb verzichtet, konnte die 21-Jährige noch nicht sagen: „Ich habe es erst heute erfahren und weiß noch nicht, wie die Planung für das nächste Jahr aussieht. Ich habe ja auch noch Zeit, mich zu entscheiden.“ Auch die Bosnierin Sandra Martinovic ist schon lange dabei: „Ich bin zutiefts traurig. Wo findet man so etwas ein zweites Mal? Felt like home! Aber irgendwie habe ich gespürt, dass es unsere letzte Saison ist….“ Die Mannschaft mit dem kleinen Etat und dafür mit dem großen Teamgeist, der zuweilen die Spielerinnen über sich hinauswachsen ließ, ist nun Geschichte.
In den nächsten Wochen werden bei Tennis Wahlstedt viele Gespräche geführt werden. Es gilt neue Organisationsstrukturen für die Tennisschule Wahlstedt aufzubauen. Darauf haben inzwischen haben auch männliche Nachwuchsspieler ihr Augenmerk geworfen und möchten dort ihre Trainingsbasis aufschlagen. „Wir führen viele Gespräche. Mit Spielern und Trainern. Spruchreif ist jedoch noch nichts“, hält Dr. Intert sich bedeckt.